Oliver Hankeln

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Meine Freunde wissen natürlich, dass ich die Piraten wähle. Nach der Landtagswahl in Bayern, bei der die Piraten mit 2,0% die 5%-Hürde deutlich verfehlten kam die Frage auf, ob ich meine Stimme nicht verschwenden würde, wenn ich die Piraten wähle.

Ich habe mich trotzdem dafür entschieden, die Piratenpartei zu wählen und will hier auf fünf Gründe dafür eingehen: 

 

1. Ein Zeichen setzen

Ziel jeder Partei (na gut, bei der Partei „die PARTEI“ bin ich mir nicht sicher) ist natürlich in den Bundestag zu kommen, und dort auch an die Regierung. Das heisst aber nicht, dass man nichts bewegen könnte, wenn man nicht im Bundestag vertreten ist.
Die Grünen haben es vorgemacht. Die etablierten Parteien scheinen zwar hauptsächlich mit sich und dem aktuellen politischen Gegner beschäftigt zu sein, aber sie beobachten durchaus, was bei den „sonstigen“ Parteien passiert.
So wie die Grünen Umweltpolitik so weit ins öffentliche Bewusstsein gerückt haben, dass auch die grossen Parteien Stellung beziehen mussten, so kommt seit es die Piraten gibt, auch keine Volkspartei mehr darum herum, sich zu netzpolitischen Themen zu äußern – wobei sich leider erschreckende Unkenntnis offenbart.
Die Piraten zu stärken hilft also, fortschrittliche Positionen z.B. zum Urheberrecht, zur Netzneutralität und so weiter auch bei den anderen Parteien zu erzwingen. 

2. Rot-Grün ist mir in der Opposition lieber

Ich gebe zu: an der ersten Rot-Grünen Regierung bin ich mit schuld. Und wie sieht das Vermächtnis dieser Regierung aus? Bankenderegulierung mit anschliessender Bankenkrise, Umverteilung der Vermögen nach oben und Hartz IV.
Wären SPD und Grüne in der Opposition gewesen, CDU/CSU/FDP wären mit solchen Projekten niemals durch gekommen. Die SPD geführte Regierung unter Gerhard „Gazprom“ Schröder hat die menschenverachtenden Hartz-Reformen erst möglich gemacht.
Natürlich sind SPD und Grüne mir inhaltlich näher als Schwarz-Gelb, aber es hat sich gezeigt, dass Rot/Grün als Korrektiv in der Opposition Deutschland mehr Gutes tun, als an der Regierung.

3. Meine Stimme hilft

Ist meine Stimme denn wirklich verloren, wenn die Piraten nicht über 5% kommen? Nein, denn je mehr die Piraten wählen, desto mehr lassen sich auch die Leute überzeugen, die jetzt schon mit den Inhalten der Piraten übereinstimmen, aber Angst haben, dass ihre Stimme verschwendet wäre, doch die Piraten zu wählen.
Zum anderen bekommen die Parteien staatliche Gelder, die von den Stimmen, die sie bei Wahlen bekommen abhängen. Das sind 0,70€  pro Stimme (für die ersten 4Mio Stimmen: 0,85€) aber gedeckelt bei der Summe der selbst erwirtschafteten Gelder. Also bitte auch Spenden!
Diese Gelder helfen der Partei, sowohl bei der inhaltlichen Arbeit, als auch bei der Öffentlichkeitsarbeit.

4. Strategisch wählen lähmt die Gesellschaft

Je mehr Menschen sich von der irrigen Annahme, Stimmen an kleine Parteien wären verschwendet, davon abhalten lassen, nach ihrer Überzeugung zu wählen, desto schwieriger haben es genau die Parteien, diese Überzeugungen zu vertreten und ihnen Geltung zu verschaffen.  Wenn man das Argument weiter denkt, hätte eigentlich niemand die Grünen wählen dürfen. Bei der FDP sollte man sicherheitshalber auch kein Kreuz machen (das aber nicht nur aus wahltaktischen Gründen) und schon sind wir bei einem Zwei-Parteien-System wie in den USA. Je weiter die kleinen Parteien von der 5% Hürde entfernt sind, desto weniger Wähler werden sich davon überzeugen lassen, diese Partei zu wählen – unabhängig von ihren Überzeugungen. Ein Zwei-Parteien-System ist aber sehr träge. Neue Ideen ein zu bringen ist kaum möglich, weil beide Parteien auf ihre Stammwähler Rücksicht nehmen müssen.
Es ist gut, dass wir in Deutschland eine bunte Parteienlandschaft haben – es wäre auch wünschenswert, dass dieser Pluralismus besser im Parlament vertreten wäre. Deshalb muss meiner Meinung nach auch die 5% Hürde gesenkt oder abgeschafft werden.

5. Die Piraten haben das beste Programm

Der Irrglaube, die Piraten hätten kein Programm hält sich ja fast so lange, wie der Glaube, dass Napoleon besonders klein gewesen wäre. Tatsächlich ist das Wahlprogramm erstaunlich umfangreich und vor allem: gut.

Dass die Piraten mit einer Forderung nach gesetzlich verankerter Netzneutralität und eines modernen Urheberrechts netz- und kulturpolitisch die Speerspitze der Gesellschaft bilden, überrascht sicher niemanden.
Doch auch z.B. die Forderung, dass mit Steuergeldern erstellte Dokumente und Forschungsergebnisse öffentlich sein müssen, ist in Zeiten von 7-Tage-Mediatheken bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und staatlich finanzierter Forschung, die dann von privaten Firmen zu Geld gemacht wird, offenbar keine Selbstverständlichkeit, aber dringend notwendig.
Die Piraten fordern einen sekularen Staat, der die immer noch bestehenden Sonderrechte für die Kirchen (Diskriminierungsrecht, stille Feiertage, staatliches Steuerinkasso, etc.) endlich abschaffen soll, was mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Dazu kommt ein modernes Familienbild, das keinen Unterschied zwischen Mann/Frau und Mann/Mann und Frau/Frau und Frau/Transgender und …. macht. Das Grundgesetz regelt, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Die Begriffe Ehe und Familie müssen aber von uns definiert werden und da können im 21. Jahrhundert überkommene Vorstellungen von Vater-Mutter-Kind Familien nicht der Weisheit letzter Schluss sein. 

Ach ja: Die ganze Snowden/NSA/Überwachungssache? Mit den Piraten wäre das anders gelaufen. Zum einen, weil die Piraten alles daran setzen, den Überwachungsstaat zu verhindern – Demokratie fusst auf dem Vertrauen des Staats in seine Bürger! – und zum anderen, weil ein Piratenkanzler nicht mit einer „geht mich doch nichts an“-Mentalität an die Sache herangehen würde, wenn es irgendwelche Geheimdienste doch schaffen uns zu durchleuchten.

Also bitte: geh wählen! Und am besten die Piraten 😉 – vielleicht knacken wir die 5% ja doch… 

 

 

 

 

 

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